Chemikalien-Lexikon G


Glycerol (wasserfrei)

Eigenschaften:

Das wasserfreie Glycerin ist eine dicklich-sirupartige (viskose); stark wasseranziehende und süß schmeckende Flüssigkeit (vgl. Name: von griech. glykys = süß). Die Süßkraft des Stoffes ist beachtlich, sie erreicht immerhin 60% der Süße von Rohrzucker! Kühlt man wasserfreies Glycerin längere Zeit unter eine Temperatur von 0 °C ab, so erstarrt es zu farblosen, rhombischen Kristallen.

Der Schmelzpunkt beträgt 17,9 °C; das Glycerin siedet bei 290 °C unter Zersetzung. Erhitzt man es in einem Porzellantiegel mit dem Bunsenbrenner, so brennt es nahezu rückstandsfrei ab. Beim Zerreiben einiger Tropfen zwischen den Fingern fühlt sich die Substanz "fettig" an. Mit Wasser ist die Flüssigkeit in jedem Verhältnis mischbar, dagegen ist sie in Diethylether und Chloroform praktisch unlöslich. In Aceton ist wasserfreies Glycerol schwer löslich.

Struktur von Glycerol

Glycerol

(1,2,3-Propantriol,
"Ölsüß")

Darstellung:

Der Stoff wurde im Jahre 1873 von SCHEELE bei der Verseifung von Olivenöl und Bleioxid gefunden.

Früher stammte Glycerin ausschließlich aus natürlichen Quellen (Glycerinwässer, die bei der Fetthydrolyse anfallen), während in der Folgezeit die Gewinnung durch chemische Synthese an Bedeutung gewann. Man geht dabei vom Propylen (Propen) aus, wobei zuerst bei hoher Temperatur mit Chlor umgesetzt und später unterchlorige Säure angelagert wird:

Übersichtsbild

Prüfung auf Identität (nach Europäischem Arzneibuch)

A: Die Substanz entspricht der Prüfung Brechungsindex (siehe Prüfung auf Reinheit): Sollbereich 1,470 - 1,475

Wirklich wasserfreies Glycerin hat einen Brechungsindex von 1,47399. Mit zunehmendem Wassergehalt sinkt der Wert deutlich; schon ein 98%iges Präparat hat einen Brechungsindex von nur noch 1,4707 (jeweils bestimmt bei +20 °C). Aufgrund des Brechungsindex' kann man so den Wassergehalt einschätzen.

B: Eine IR-Spektroskopie (Vergleich mit authentischem Referenzspektrum) kann nicht in jedem Labor durchgeführt werden. Das Arzneibuch hält in diesem Fall die Ausführung der Proben A,C und D für ausreichend.

C: 1 ml Substanz wird mit 5 ml Salpetersäure R gemischt. Die Mischung wird mit 0,5 ml Kaliumdichromat-Lösung R überschichtet. An der Grenzschicht der beiden Flüssigkeiten entsteht ein blauer Ring, der 10 min lang bestehen bleibt, ohne dass die Farbe in die untere Schicht diffundiert.

D: Wird 1ml Substanz in einer Abdampfschale mit 2g Kaliumhydrogensulfat R erhitzt, entstehen stechend riechende und tränenreizende Dämpfe (Acrolein!), die ein mit Nesslers Reagenz R getränktes Filterpapier schwärzen.

Erläuterung: Erhitzt man Glycerin mit wasserentziehenden Mitteln (KHSO4), so entsteht Acrolein, das stechend riecht und (als Aldehyd) Neßlers Reagenz zu metallischem Quecksilber reduziert.

Prüfung auf Reinheit:

Prüflösung: 50,0 g Substanz werden mit kohlendioxidfreiem Wasser R zu 100,0 ml verdünnt.

Aussehen der Prüflösung: Die Prüflösung muss klar sein. 10 ml Prüflösung werden mit Wasser R zu 25 ml verdünnt. Die Lösung muss farblos sein. Die zu prüfende Lösung wird mit Wasser R in einer Schichtdicke von 40 mm in identischen, farblosen, durchsichtigen Nessler-Zylindern aus Neutralglas von 15 bis 25 mm innerem Durchmesser verglichen. Die Beurteilung erfolgt bei diffusem Tageslicht in vertikaler Durchsicht gegen einen weißen Hintergrund.

In der vorgeschriebenen Schichtdicke ist eine evtl. schwach gelbliche Färbung von Glycerin gegenüber reinem Wasser kaum wahrnehmbar. Bei größeren Schichtdicken (z.B. 20 cm) wird sie deutlich.

Brechungsindex: 1,470 bis 1,475 (siehe auch bei Identitätsprüfung, Buchstabe A).

Sauer oder alkalisch reagierende Substanzen: 50 ml Prüflösung werden mit 0,5ml Phenolphthalein-Lösung R versetzt. Die Lösung muss farblos bleiben. Bis zum Farbumschlag nach Rosa dürfen höchstens 0,2ml Natriumhydroxid-Lösung (0,1 mol.1-1) verbraucht werden.

Die Probe entspricht der üblichen Grenztitration und erfaßt alkalisch oder sauer reagierende Verunreinigungen. Wäßrige Lösungen von reinem Glycerin reagieren pH-neutral.

Ester: Die bei der Prüfung "Sauer oder alkalisch reagierende Substanzen" erhaltene Lösung wird mit Natriumhydroxid-Lösung (0,1mol.1-1) versetzt, bis insgesamt 10,0 ml zugesetzt sind, und 5 min lang zum Rückfluss erhitzt. Nach Abkühlen und Zusatz von 0,5ml Phenolphthalein-Lösung R wird mit Salzsäure (0,1mol.1-1) titriert. Bis zum Farbumschlag müssen mindestens 8,0ml Salzsäure (0,1mol.1-1) verbraucht werden.

Zur Verseifung eventuell vorhandener Fettsäureester wird mit überschüssiger Natronlauge 0,1 M auf dem Wasserbad erwärmt und der Alkaliverbrauch durch Rücktitration ermittelt.

Halogenverbindungen: 10 ml Prüflösung werden mit 1ml verdünnter Natriumhydroxid-Lösung R, 5ml Wasser R und 50 mg Raney-Nickel R versetzt und 10min lang im Wasserbad erhitzt. Nach dem Abkühlen wird filtriert. Kolben und Filter werden mit Wasser R gewaschen, bis 25 ml Filtrat erhalten ist. 5ml Filtrat werden mit 4 ml Ethanol 96% R, 2,5 ml Wasser R, 0,5 ml Salpetersäure R und 0,05 ml Silbernitratlösung R 2 versetzt und gemischt. Nach 2 min darf die Lösung nicht stärker opaleszieren als eine gleichzeitig und unter gleichen Bedingungen hergestellte Referenzlösung aus 7,0 ml Chlorid-Lösung (5ppm Cl) R, 4ml Ethanol 96% R, 0,5ml Wasser R, 0,5ml Salpetersäure R und 0,05 Silbernitrat-Lösung R 2 (35 ppm).

Bei der Synthese von Glycerol aus Propen (siehe oben) entstehen als Zwischenprodukte Chlorverbindungen, vor allem solche organischer Natur wie Epichlorhydrin. Die Chlor-Kohlenstoff-Bindung solcher Verunreinigungen wird durch das Raney-Nickel beim Erwärmen in alkalischer Umgebung hydrierend gespalten; anschließend die entstandenen Chlorid-Anionen mit Silbernitratlösung nachgewiesen (Fällung als schwerlösliches AgCl). Um ein Ausfällen basischer Aluminiumsalze, die aus dem Raney-Nickel stammen, zu vermeiden, muß dabei in stark salpetersaurer Lösung gearbeitet werden.

Zucker: 10 ml Prüflösung wird 5 min lang mit 1ml verdünnter Schwefelsäure R im Wasserbad erhitzt. Nach Zusatz von 3 ml carbonatfreier, verdünnter Natriumhydroxid-Lösung R 1 wird gemischt und tropfenweise 1ml frisch hergestellte Kupfer(II)-sulfat-Lösung R zugesetzt. Die Lösung muss klar und blau sein. Nach 5min langem Erhitzen im Wasserbad bleibt die Lösung blau, und kein Niederschlag darf entstanden sein.

Aldehyde, reduzierende Substanzen: 7,5 ml Prüflösung werden in einem Erlenmeyerkolben mit Schliffstopfen mit 7,5 ml Wasser R und 1,0 ml Pararosaniliniumchlorid-Reagenz R versetzt. Nach dem Verschließen des Kolbens wird 1 h stehengelassen. Die Lösung darf nicht stärker gefärbt sein als eine gleichzeitig unter gleichen Bedingungen hergestellte Referenzlösung mit 7,5 ml Formaldehyd-Lösung (5 ppm CH20) R und 7,5 ml Wasser R. Die Prüfung darf nur ausgewertet werden, wenn die Referenzlösung rosa gefärbt ist.

Chlorid: 1ml Prüflösung mit Wasser R zu 15 ml verdünnt, muss der Grenzprüfung auf Chlorid entsprechen (10 ppm). Zur Herstellung der Referenzlösung wird 1 ml Chlorid-Lösung (5 ppm Cl) R mit Wasser R zu 15 ml verdünnt. 15 ml der vorgeschriebenen Lösung werden mit 1 ml verdünnter Salpetersäure R versetzt. Die Mischung wird auf einmal in ein Reagenzglas gegossen, das 1ml Silbernitrat-Lösung R 2 enthält. Die Lösungen werden 5 min lang unter Lichtschutz aufbewahrt und gegen einen dunklen Hintergrund geprüft. Die zu prüfende Lösung darf nicht stärker getrübt sein als die Referenzlösung.

Schwermetalle: 6 ml Prüflösung werden mit Wasser R zu 15 ml verdünnt. 12 ml Lösung müssen der Grenzprüfung A auf Schwermetalle entsprechen (5 ppm). Zur Herstellung der Referenzlösung wird die Blei-Lösung (1ppm Pb) R verwendet. 12 ml der vorgeschriebenen wässrigen Lösung werden mit 2 ml Pufferlösung pH 3,5 R gemischt. Nach Zusatz der Lösung zu 1,2 ml Thioacetamid-Reagenz R wird sofort erneut gemischt. Die Referenzlösung wird in gleicher Weise mit 10 ml Blei-Lösung (1 ppm Pb) R unter Zusatz von 2 ml der vorgeschriebenen wässrigen Lösung hergestellt. Eine Blindlösung wird unter Verwendung einer Mischung von 10 ml Wasser R und 2 ml Prüflösung hergestellt. Die Referenzlösung muss im Vergleich mit der Referenzlösung eine leichte Braunfärbung aufweisen. Nach 2 min darf die zu prüfende Lösung nicht stärker braun gefärbt sein als die Referenzlösung.

Wasser: Höchstens 2,0 Prozent, mit 1,500g Substanz nach der Karl-Fischer-Methode bestimmt.

Sulfatasche: Höchstens 0,01 Prozent. 5,0 g Substanz werden zum Sieden erhitzt und verbrannt.

Gehaltsbestimmung: 0,1000 g Substanz werden sorgfältig mit 45 ml Wasser R gemischt, mit 25,0 ml einer Lösung von Natriumperiodat R (21,4g.1-1) versetzt und 15 min lang unter Lichtschutz stehengelassen. Nach Zusatz von 5,0 ml einer Lösung von Ethylenglykol R (500 g.l-1) wird 20 min lang unter Lichtschutz stehengelassen und mit Natriumhydroxid-Lösung (0,1 mol.l-1) unter Zusatz von 0,5 ml Phenolphthalein-Lösung R titriert. Ein Blindversuch wird durchgeführt.

1 ml Natriumhydroxid-Lösung (0,1mol.l-1) entspricht 9,21 mg C3H8O3.

Ausrechnungsbeispiel:

Einwaage einer Probe Glycerol: 0,0882 g = 88,2 mg (in Kolben auf Analysenwaage)

Verbrauch 0,1 M Natriumhydroxidlösung (Blindprobe abgezogen): 9,50 ml

Berechneter Wert: 9,50 x 9,21 = 87,5 mg

Gehalt in %: 87,5 mg dividiert durch 88,2 mg = 99,2% (entspricht)

Durch Zugabe überschüssiger Natriumperiodat-Lösung wird Glycerin quantitativ in 2 Mol Formaldehyd und 1 Mol Ameisensäure gespalten. Der nicht umgesetzte Teil des Periodats wird anschließend durch Zugabe von Ethylenglycol verbraucht, wobei weiterer Formaldehyd, aber keine Ameisensäure entsteht. Die bei der Reaktion gebildete Ameisensäure kann in der Folge alkalimetrisch bestimmt werden. Nur Stoffe mit mindestens 3 benachbarten OH-Gruppen stören (z.B. Zucker, deren Vorhandensein aber bei der Reinheitsprüfung erfaßt wird), denn auch sie ergeben Ameisensäure.


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Letzte Änderung am 31.05.2001